Der erste Eindruck von einer Organisation entsteht oft nicht im Vorstellungsgespräch, sondern schon viel früher – beim Lesen einer Stellenanzeige. Gut gestaltete Ausschreibungen sind klar, wertschätzend und informieren transparent über die Position. Doch nicht jede Stellenanzeige hält, was sie verspricht. Manche Formulierungen wirken auf den ersten Blick attraktiv, verbergen aber zwischen den Zeilen problematische Arbeitsbedingungen. Wer die Sprache von Stellenanzeigen kritisch liest, kann Warnsignale erkennen und so vermeiden, in eine toxische Unternehmenskultur zu geraten. In diesem Blogartikel verraten wir dir welche Begriffe dich stutzig machen sollten.
Arbeitgeber*innen wissen, dass viele Kandidat*innen Stellenanzeigen nur überfliegen. Doch die Wortwahl ist selten zufällig. Selbst wenn die HR-Abteilung oder das Marketing die Anzeige schreibt, spiegelt sie Werte, Selbstverständnis und manchmal auch blinde Flecken des Unternehmens wider:
Das Problem: Manche toxischen Muster wirken auf den ersten Blick attraktiv – sie versprechen «Herausforderungen», «Flexibilität» oder «Leidenschaft». Doch hinter diesen Schlagworten versteckt sich nicht selten ein rauer Ton oder eine Unternehmenskultur, die Überstunden und Dauerstress glorifiziert.
1. «Stressresistenz» und «belastbar»
Kaum ein Begriff ist so verräterisch wie «belastbar». Natürlich gibt es Jobs, in denen Spitzenbelastungen vorkommen – etwa in der Pflege oder im Projektmanagement. Doch wenn eine Stelle gleich mehrfach von «Stressresistenz» und «hohem Druck» spricht, solltest du hinterfragen, ob es sich um normale Herausforderungen handelt oder um permanenten Ausnahmezustand. Stellenanzeigen mit diesen Begriffen korrelieren oft mit überdurchschnittlicher Fluktuation. Unternehmen suchen hier meist nach Mitarbeitenden, die Überstunden stillschweigend akzeptieren.
2. «Leidenschaft» und «100 % Commitment»
Natürlich wünschen sich Arbeitgeber*innen motivierte Mitarbeitende. Aber wenn in einer Stellenanzeige mehrfach von «Leidenschaft», «Berufung» oder «hundertprozentigem Einsatz» die Rede ist, solltest du wachsam sein. Häufig steckt dahinter die Erwartung, dass du unbezahlte Mehrarbeit leistest oder deine Freizeit opferst.
3. «Junges, dynamisches Team» und «ständiger Wandel»
Das klingt auf den ersten Blick ordentlich. Doch hier ist Vorsicht geboten. Zum einen ist die Formulierung ein potenzielles Diskriminierungsmerkmal, das Mitarbeitende ab einem bestimmten Alter faktisch ausschliesst. Zum anderen bedeutet «jung und dynamisch» häufig: Hier herrscht hoher Leistungsdruck, es gibt wenig Platz für Ausgeglichenheit und Work-Life-Balance. Des Weiteren, wenn Stellenanzeigen betonen, dass sich «alles ständig verändert», kann das auf Chaos hindeuten. Eine klare Strategie fehlt, Prozesse sind unklar, Zuständigkeiten wechseln wöchentlich.
4. «Hands-on-Mentalität»
«Hands-on» kann ein positives Signal sein – wenn es um Pragmatismus geht. In toxischen Stellenanzeigen bedeutet es jedoch oft: Du machst alles, egal ob es in deinem Jobprofil steht oder nicht. Besonders kritisch wird es, wenn im gleichen Atemzug von «kein 9-to-5» die Rede ist. Übersetzt heisst das: fixe Arbeitszeiten gibt es nicht, Erreichbarkeit rund um die Uhr ist erwünscht.
5. «Wir sind wie eine Familie»
Auf den ersten Blick klingt es sympathisch – wer möchte nicht in einem Umfeld mit gutem Miteinander arbeiten? Doch Vorsicht: Der Begriff «Familie» im Unternehmenskontext weist oft auf unscharfe Grenzen hin. Teamgeist ist wichtig, aber eine Organisation ist keine Familie. In der Praxis bedeutet das häufig: Überstunden, zusätzliche Aufgaben oder ständige Erreichbarkeit werden als selbstverständlich vorausgesetzt.
6. «Hohe Einsatzbereitschaft» oder «Rund-um-die-Uhr-Mentalität»
Manchmal wird unterschwellig kommuniziert, dass der Job auch nachts oder am Wochenende beansprucht. Wenn nicht explizit geregelt ist, wie Arbeitszeiten aussehen, solltest du kritisch hinterfragen, ob hier eine Belastungsgrenze überschritten wird.
7. «Flache Hierarchien»
Das klingt sympathisch wird aber in toxischen Unternehmenskulturen oft missbraucht. Offiziell soll es heissen: Man bekommt schnell Verantwortung, jede Meinung zählt. In Wirklichkeit fehlt aber häufig Führungskompetenz. Der Alltag kann chaotisch werden, Entscheidungswege sind unklar, und die Verantwortung wird nach unten verlagert, ohne ausreichend Befugnisse mitzugeben.
8. «Überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft»
Dies ist ebenfalls ein Code dafür, dass das normale Arbeitspensum kaum zu bewältigen ist. Oft steckt dahinter das implizite Signal: Wer die Extrameile nicht geht, passt nicht ins Team.
9. «Junior mit 5 Jahren Erfahrung»
Unrealistische Anforderungsprofile sind ein Klassiker. Wenn für Einstiegspositionen langjährige Erfahrung gefordert wird, geht es oft nicht um Fairness, sondern um Sparen. Organisationen möchten hochqualifizierte Mitarbeitende, aber nur den Einstiegslohn bezahlen. Solche Anzeigen sind ein eindeutiges Zeichen für unklare HR-Strategien und ein Warnsignal, die Finger davon zu lassen.
10. «Humorvoll» und «stressresistent im Team»
Manchmal sind toxische Hinweise subtil. Wenn Humor oder gute Laune als Anforderung betont werden, kann das bedeuten, dass ein schwieriges Teamklima herrscht. Statt Probleme zu lösen, erwartet man, dass neue Mitarbeitende sie weglächeln. Gerade in Branchen mit Fachkräftemangel werden solche Umschreibungen genutzt, um Defizite in der Führungskultur zu verschleiern.
Natürlich sind nicht alle Stellenanzeigen toxisch. Es gibt auch klare Hinweise auf eine gesunde Organisation:
Was du tun kannst, wenn du unsicher bist
KI-Tools wie ChatGPT oder spezialisierte Bewerbungsassistent*innen können dabei helfen, toxische Stellenanzeigen automatisch zu identifizieren. Sie analysieren Wortwahl, Tonalität und Häufigkeit bestimmter Begriffe. Manche Plattformen bieten bereits Funktionen, die Jobanzeigen nach «Red Flags» scannen und dir eine Einschätzung geben. Doch so hilfreich diese Tools sind: Sie ersetzen nicht dein eigenes Bauchgefühl. Lies zwischen den Zeilen, recherchiere Bewertungen auf Arbeitgeber*innenportalen und achte im Bewerbungsgespräch auf Details.
Eine toxische Stelle bedeutet nicht nur anstrengende Arbeitstage, sondern kann langfristig Folgen haben: von gesundheitlichen Problemen bis zu Lücken im Lebenslauf, wenn man frühzeitig kündigt. Wer frühzeitig erkennt, dass ein*e Arbeitgeber*in problematisch kommuniziert, spart sich viel emotionalen Ballast. Es geht letztlich um deine Arbeitszufriedenheit. Dein Job sollte dir nicht nur Gehalt sichern, sondern auch Entwicklung, Stabilität und Wertschätzung bieten. Toxische Stellenanzeigen sind deshalb wie Frühwarnsignale. Wer sie erkennt, filtert schneller die wirklich passenden Jobs heraus und sucht gezielt nach Organisationen, die wirklich zu den eigenen Werten passen.
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