Arbeitszeugnisse: Geheimcodes entschlüsseln
Arbeitszeugnisse sind ein wichtiger Bestandteil des beruflichen Lebens. Sie dienen als Aushängeschild für zukünftige Arbeitgeber*innen und können massgeblich die Chancen auf eine neue Stelle beeinflussen. Doch oft verbirgt sich hinter den wohlklingenden Formulierungen mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. In diesem Blogartikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Welt der Arbeitszeugnisse und enthüllen, wie man versteckte Botschaften und geheime Codes entschlüsseln kann.
Die Entstehung der Zeugnissprache
Die besondere Sprache in Arbeitszeugnissen hat sich über die Jahre entwickelt, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass ein Arbeitszeugnis zwar wahrheitsgetreu, aber gleichzeitig auch wohlwollend formuliert sein muss. Diese Vorgabe hat zur Folge, dass sich eine Art Geheimsprache etabliert hat, die es Arbeitgeber*innen ermöglicht, auch negative Aspekte in scheinbar positiven Formulierungen zu verstecken.
Welche Arten von Arbeitszeugnissen gibt es?
In der Schweiz gibt es verschiedene Arten von Arbeitszeugnissen, die je nach Situation und Zweck unterschiedlich ausfallen. Die wichtigsten sind:
- Schlusszeugnis: Wird am Ende des Arbeitsverhältnisses ausgestellt und enthält Angaben zur Funktion, Dauer der Anstellung sowie eine Bewertung von Leistung und Verhalten. Oft werden auch die Gründe für die Beendigung genannt.
- Zwischenzeugnis: Eine Art Vollzeugnis, das während des laufenden Arbeitsverhältnisses ausgestellt wird – meist auf Wunsch des/der Mitarbeitenden. Es enthält dieselben Informationen wie das Schlusszeugnis, jedoch ohne Angaben zur Beendigung. Es wird häufig bei Vorgesetztenwechseln oder internen Veränderungen ausgestellt.
- Arbeitsbestätigung: Eine neutrale Variante auf Wunsch der Arbeitnehmer*innen. Sie gibt lediglich Auskunft über die Anstellungsdauer und die ausgeübte Funktion – ohne Bewertung von Leistung oder Verhalten.
- Lehrzeugnis: Wird nach Abschluss einer Lehre ausgestellt und bescheinigt die erlernten Fähigkeiten sowie die Dauer der Ausbildung. Auf Verlangen kann es auch eine Beurteilung von Leistung und Verhalten enthalten.
Diese Zeugnisse sind nicht nur ein formaler Abschluss einer Anstellung, sondern oft auch entscheidend für die berufliche Zukunft. Doch was steht eigentlich zwischen den Zeilen?
Typische geheime Codes und ihre Bedeutung
Arbeitgeber*innen sind gesetzlich verpflichtet, wohlwollende Arbeitszeugnisse auszustellen – doch nicht alles, was gut klingt, ist auch wirklich positiv. Viele Arbeitszeugnisse enthalten eine versteckte Codierung, die auf den ersten Blick harmlos wirkt, aber negative Bewertungen subtil verpackt. Wer ein Arbeitszeugnis richtig lesen möchte, sollte die geheimen Formulierungen und deren wahre Bedeutung kennen. Hier eine Übersicht über die wichtigsten verschlüsselten Botschaften, die häufig verwendet werden:
Leistungsbeurteilung
- «Er/Sie bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden.» bzw. «Er/Sie war stets bemüht…»
- Mangelhafte Leistung, nicht erfolgreich
- «Er/Sie zeigte Engagement und war stets bemüht, die Aufgaben zur Zufriedenheit zu erledigen.»
- Unterdurchschnittliche Leistung
- «Er/Sie hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten eingesetzt.»
- Begrenzte Fähigkeiten und hat das Minimum geleistet
- «Er/Sie erledigte die Aufgaben mit grosser Sorgfalt und Genauigkeit.»
- Langsame Arbeitsweise, mangelnde Effizienz
- «Er/Sie arbeitete mit grosser Genauigkeit, wenn es die Zeit erlaubte.»
- Unorganisierte oder ineffiziente Arbeitsweise
- «Er/Sie war ein*e gewissenhafte*r Mitarbeiter*in.»
- Fehlende Eigeninitiative, zu passiv
Sozialverhalten und Teamfähigkeit
- «Er/Sie zeigte Verständnis für die Belange der Kolleg*innen.»
- Distanzierte oder konfliktscheue Person
- «Sein/Ihr Verhalten gegenüber Kolleg*innen war einwandfrei.»
- Schwierigkeiten im Umgang mit Vorgesetzten
- «Er/Sie hatte Gelegenheit, sich in unser Team zu integrieren.»
- Kaum teamfähig oder Ausgrenzung aus dem Team
- «Im Kontakt mit Kund*innen war er/sie stets um ein positives Erscheinungsbild bemüht.»
- Schlechte Kommunikationsfähigkeiten
- «Er/Sie zeigte Verständnis für die Interessen der Belegschaft.»
- Hat sich für die Mitarbeiter*innenrechte eingesetzt und war kritisch gegenüber der Geschäftsleitung
Arbeitsweise und Entwicklung
- «Er/Sie verfügte über Fachwissen und hat sich mit Interesse weitergebildet.»
- Theorie stark, aber Praxis mangelhaft
- «Er/Sie arbeitete mit üblicher Sorgfalt.»
- Durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Qualität der Arbeit
- «Er/Sie zeigte Initiative im Rahmen der Erwartungen.»
- Kaum Eigeninitiative oder Innovation
- «Seine/Ihre Arbeitsweise war durch Effizienz und Systematik geprägt.»
- Mangelnde Kreativität, arbeitet nur nach Schema F
Schlussformel und Beendigungsgründe
- «Er/Sie verlässt uns im gegenseitigen Einvernehmen.»
- Wurde gekündigt, eventuell mit Aufhebungsvertrag
- «Wir wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute.»
- Neutral, deutet auf ein wenig positives Zeugnis hin
- «Er/Sie scheidet aus unserem Unternehmen aus.»
- Keine Dankes- oder Zukunftswünsche, häufig ein Zeichen für ein negatives Arbeitsverhältnis
- «Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden sehr und danken für die stets sehr guten Leistungen.»
- Ausgezeichnetes Zeugnis mit echter Wertschätzung
Wie erkennt man versteckte Botschaften?
Um die geheimen Codes in Arbeitszeugnissen zu entschlüsseln, ist es wichtig, auf bestimmte Signalwörter und Formulierungen zu achten:
- Passive Sätze: Diese können auf mangelnde Initiative oder Faulheit hinweisen.
- Fehlende Informationen: Wenn wichtige Tätigkeiten oder Leistungen ausgelassen werden, kann dies ein negatives Zeichen sein.
- Schlüsselwörter: Achte auf Wörter wie "bemüht", "versucht" oder "im Allgemeinen". Diese deuten oft auf nicht zufriedenstellende Leistungen hin.
Wie kann man ein negatives Zeugnis anfechten?
Falls du den Verdacht hast, dass dein Zeugnis versteckte negative Botschaften enthält, kannst du Folgendes tun:
- Zeugnis genau analysieren: Achte auf die oben genannten Formulierungen.
- Korrektur verlangen: Als Mitarbeiter*in hast du das Recht auf ein wohlwollendes Arbeitszeugnis.
- Arbeitsgericht einschalten: Falls dein*e Arbeitgeber*in sich weigert, ein faires Zeugnis auszustellen, kannst du juristische Schritte einleiten.
Das Entschlüsseln von Arbeitszeugnissen erfordert ein geschultes Auge und Kenntnisse über die gängigen Formulierungen und ihre Bedeutungen. Als Arbeitnehmer*in ist es wichtig, das eigene Zeugnis kritisch zu prüfen und bei Bedarf eine Änderung zu verlangen. Gleichzeitig sollten sich Arbeitgeber*innen bewusst sein, dass die Verwendung von Geheimcodes rechtlich bedenklich sein kann und möglicherweise nicht im Sinne einer fairen und transparenten Beurteilung ist.
Letztendlich dient ein Arbeitszeugnis dazu, eine realistische Einschätzung der Leistungen und Fähigkeiten von Mitarbeiter*innen zu geben. Je klarer und ehrlicher diese Beurteilung ausfällt, desto wertvoller ist sie für alle Beteiligten. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Zeugniskultur in Zukunft in Richtung grösserer Offenheit und Klarheit entwickelt, ohne dabei den Schutz von Arbeitnehmer*innen aus den Augen zu verlieren. Ein gutes Zeugnis kann schliesslich entscheidend für die weitere Karriere sein.